GERMAN TRANSLATIONS

by Thomas Eichorn (2007)

 

[Come, will you join me in my precision?]

Komm, legen wir es darauf an, genau zu sein.
Laß uns die Schwärze unsrer leeren Geister feiern,
ziehn wir der Kuh Konformität das Fell ab -
begraben sie in Wahn und einer Prise Reue.
Dichtung ist der Ausdruck des Unerwarteten,
die Weigerung, mühsam zu sammeln, und die Sehnsucht,
die Mauern des Möglichen zu durchstoßen.
Alles wird möglich, schreibt man Worte hin,
die sich wie wild auf einer Seite krümmen,
und über alle Ränder laufen wollen,
daß man sie fühlen kann.

Dir mögen meine Seiten eitel scheinen
und unbedeutend. Sei’s drum. Betrachte sie
nicht als Bedeutung oder Wust von Worten,
sondern als Speer, der durch das Fleisch fährt,
daß er den Kern des Selbst trifft - daß er
sein Gift in deinen Kreislauf schicken kann,
um dir die Seele zu zerreißen. Lies nochmal, Freund,
und sieh, wie sich die Worte winden.

1996, mit fünfzehn Jahren

 

[Steal me]

Stiehl mich.
Schmilz meinen goldnen Kern.
Ich schlüpfe ein durch deine Träume,
dort, wo du schwach bist
und wo nichts mich hindert.

Ich töte diesen Leib, dies Fleischgefängnis,
dies Herz und dieses Haupt, das du geliebt - nun reglos, -
doch ich besuche dich im Schlaf,
wenn ich vollkommen bin.

Frühling 1999

 

[Tomorrow saps my strength before she dawns]

Das Morgen schwächt all meine Kraft, bevor es dämmert,
da du nicht hier bist - sein Schein gebiert dich nicht, -
der Zyniker, mein Magen, weiß, es wird auch nie geschehen.
Soll ich hier sterben - in diesem Rausch von Träumen?
Gefrorne Diamanten, blau und grün, in meinem Denken,
versprechen mir, du wirst nicht schwinden
und meinen Namen nicht vergessen
und was ich hab für dich, in meiner Brust.
Versprich mir, einen Augenblick an mich zu denken,
an einem fernen Tag, wenn kalt und klamm ich bin,
zerschunden und voll Blut, versunken in den Wellen.
Versprich mir, daß du weinst, du selber -
Versprich, dass du mich hältst, wenn ich versinke
in jene Nacht, die nie erwacht.
Sei, wo mein letztes Morgen anbricht
und wo’s versinkt, in deinen Armen.
In Träumen spielt Bedauern keine Rolle. O Herr!
Versprich mir, daß die Sterne nicht vergessen,  was sie gesehn …
versprich mir, du vergisst sie nicht,
die Rose aus dem Staube, die aus plumpen Wurzeln
hinaufwuchs in dein Herz.

Herbst 1998

 

[There's this man and he walks like a broken old bird]

Da dieser Mann geht wie ein kranker alter Vogel,
man kennt ihn an dem Rasseln seiner Ketten,
die schwer von seinem Rücken hängen,
der Kaisermantel der Beladnen.
Sein Blut ist dicker als Wachs, und kälter ist’s
und schwärzer als Mittwinternächte; und treffen,
Hitzesplitter auf sein Herz, dann werden sie
zerstreut, verweht von seiner großen Angst.

Da dieses Mädchen - meinem Herzen teuer
Auf seltsamste Weise.
Sie steht mir nah in ihrem Glauben.
Heut macht man immer den schäbigen Unterschied
zwischen Körper und Geist. Aber mein
Gefühl für sie sitzt tiefer.
Es fängt in meiner Magengrube an,
wo Angst und Hingegebensein sich finden.

Ich will sie vor den Klau’n der ganzen Welt beschützen
und ihren eignen Klau’n, und vor den Kiefern
der Selbstverachtung, die auf der Lauer liegen und
sich um uns schließen wie ein Grab.

Der Schmerz der Leute, die ich liebe, ist so groß
und durstig wie das Tal des Todes, das zum Herrn fleht:
›Gib uns den Regen für die Erde!‹ und die Seelen
der Leute, die ich liebe, sind wie Vögel, die
nicht kommen und sich fangen lassen wollen
von eines täppischen Neanderthalers Worten.

Ich bin ein armer dummer Tropf, zu glauben,
daß ich ein Arzt sei. Ich deute alle Symptome falsch.

Sommer 2001

 

[In the Ocean. In the motion of our love.]

Im Ozean. In dem Sich-Regen unsrer Liebe.
Sie war bei mir ... in meiner Rüstung,
als der Sturm begann,
die See groß wurde wie die Schuld,
der Wind das Blut aus Eimern schüttete
und ich es schlürfte, weiß zu machen suchte.

Ich klammerte mich so stark an die Liebe,
daß es nicht Liebe war,
und sie zerfiel in meiner Hand in Stücke,
und meine Flügel sogen sich voll Sand und Wasser,
starr in der fürchterlichen Luft.
Ich flappte, flatterte, verlor den Halt
und strauchelte und stürzte
in die Wellen, in den Wogenschwall,
und wachte auf, schwach und zerschlagen, suchte Schutz,
und wurde mit dem Sturm von dir entführt; ich schrie,
schlug aus, ich kaute meine Lippen, und ich spie
Bröckchen davon hinab zu dir.

Die Welt geht jetzt zu Ende -
der Zauber ist gebrochen.
Der auferstandne Jesus geht und weint und schläft nicht mehr -
der Mensch ermordete den Schlaf für alle Menschheit.
Verstehst du? Findest du
sie fade, diese blinde Überzeugung?
So klar entsinn ich mich an dies, das nie geschah.
Es wird mir wieder geschehen.

Frühling 2001

[The stars are out in hoards tonight]

Die Sterne sind heut nacht in Scharen draußen,
und er tat nun drei Wünsche schon bei jedem.
Die Worte und die Reime sind ihm ausgegangen,
drum tut er sich nun selber leid und lügt.
Ein Stern sieht seine Chance und winkt ihm zu,
den Vorschlag anzuhören, den er macht.
»Ich kann sie von hier sehen«, sagt er grinsend,
in einem Ton voll Spott.
»Dort draußen in dem Zwielicht ist sie -
im Dunkel dort, mit Schwert und Speer!
Ich geb ihr einen Kuss für jede Träne, die du weinst -
im Tausch für deine beiden Augen.«

»Was«, schrie er, »nützen mir denn meine andern Sinne?
Was nützt mir der Geschmack, wenn ich ihn nicht
vermischen kann mit dem von ihrer Zunge?
Ich kann vom selben Wein betrunken werden,
doch ist es nicht derselbe Ort, dieselbe Zeit,
und nicht derselbe Blick in ihren Augen.
Was nützt mir der Geruch.
wenn doch der Duft, der mich gefangen nahm,
verflog und all seine Bedeutung verlor?
Ich fiel und tastete mich durch die Nacht und hoffte
- und wußte doch, es war umsonst -
ich fände eine Blume von demselben Feuer.
Ich wachte müde auf aus meinen Träumen,
die Löcher meiner Nase rein wie das sterile weiße Bett,
auf dem sie lag, den Kopf zur Seite,
und meinen Namen rief in meiner Nacht.

Und was nützt mir der Klag, in Wellen,
die ihren Namen nicht zu mir her tragen?
Ich dachte einst, die Angst käme in Schweigen.
Nun, ohne Angst, verabscheu ich
die rohe Macht der Worte, die nicht ihre sind.

Wie will ich wissen, wie sie sich anfühlt?
Wie kann ich wissen, was wirklich ist, was nicht,
wenn alles, was ich habe, Träume sind, und eine Sonne,
die schwört, sie ist nicht, was sie scheint?«

So wandte er sich an den Stern, warf ihm ein Lächeln zu
und sagte: »Du siehst, ich hab nur meine Augen
und vier Fotos in Farbe und ein paar verblaßte Zeilen,
die sie mir schrieb und die nun stehn auf gelblichem Papier.«

Der Stern sah auf zu keinem Schöpfer, und er lachte.
Der Junge blickte hin nach Westen und erwählte
sich einen Fleck im Schwarzen. Er gab ihm ihren Namen
und rief den Stern, denn es verlangte ihn nach einem Ort,
für das, was wir hegen und dennoch hassen.

Herbst 1998

 

Isis

Du weißt, du mußt auf Trab bleiben, Junge,
sonst schläfst du ein.
Leg dein Gehirn nicht auf dies Kissen -
sonst stirbst du hier auf der Matratze.

Steh auf und schreibe deinen Namen GROSS,
kritzle ihn an den Himmel,
nutz deine Tage, das zu suchen,
das du zurückläßt, wenn du gehst -
auf welche Art dann, kümmert dich das noch?

Jeder bekommt, was er will,
und jeder gibt dafür dasselbe.
Alles Verlangen ist wechselseitig im Kern:
Ein jeder so voll Sehnsucht wie der andre.

Sie sagte mir, sie liebe mich und bla bla bla,
wir sprachen über Göttlichkeit und bla bla bla,
wir sprachen über ihre Fernsehshows und bla bla bla,
dann sagte ich, ich liebte sie und bla bla bla.

Mädchen, du weißt, daß Worte nur halbe Wahrheiten sind,
und daß sie glitzrig sind wie Katzengold.
Du trägst sie wie ein Halsband,
damit du nicht wie ein Kadaver aussiehst.

Sie sagte sogar, sie kenne mich und bla bla bla,
und wir sprachen über unsere Eltern und bla bla bla,
und wie wir denselben Unsinn bauten und bla bla bla.
Und über unsere Körper sprachen wir. In einem Strom.

Und du begriffst den Namen dieses Stroms und seine Quelle.
Dann sagte ich Lebwohl, und das war alles.

Frühling 2001

[I want to know permanent things]

Ich will beständige Dinge kennen.
Die ganze Welt verändert sich in einem fort
und stirbt und wird geboren.
Ich wollt’, daß ich Gedanken hätte,
die warm und klar wär’n wie ein Morgen.
Die Sommertage hüllen meinen Kopf
und mein Geschlecht und meine Brust in Trauer ein.
Ich hoff auf Westwind. Er soll mir
die Furcht im Glauben bringen.
Mag meines Glaubens Frühling jetzt beginnen.

Sommer 2001

 

[They killed the Lion of Panjir]

Sie haben die Löwen von Panjir getötet. Ich
fürchte und hasse sie mehr als fast alles andre,
aber du darfst nicht so werden wie sie.
Laß den Rauch von New York
nicht deinen Blick zum Horizont umwölken.
Von hier sieht’s aus, als stünde es in Blut und Feuer.
Daß solcher Wunsch wie der zu Mord sich in uns regt,
rührt mich zu Tränen.

September 2001

 

[It's so quiet I can hear my cigarette go out]

So still ist’s, daß ich hören kann,
wie meine Zigarette ausgeht. Eine Gitane.
Die sind wirklich stark. Sie geben
mir das Gefühl, daß meine Stimme
cool ist, und mein Schwanz länger.
Ich fühle mich so kalt
wie ein altes Cembalo,
das keiner mehr spielt,
weil’s fröhlich klingt und aus der Mode ist.

Oktober 2001

 

Terroranschlag   [Terrorist Attack]

Nichts wird mehr diese Augen schirmen,
die einst versiegelt waren und beschützt
und jetzt rot sind und wund
mit einem Verlangen nach Blindheit -
ein Verlangen, wie Sticker diese Bilder abzuziehen, die
wie Feuer vor uns flackern, oder schlimmer, wie
ein Scheiterhaufen, der den Wind erwartet. Und sich erinnert.

Voraussichtliche Ankunft 8 Uhr 58

Da ist kein Loch im Morgenschleier, der
wie ein verschlissnes altes Sonnensegel
in Fetzen vom orangenen Himmel hängt -
und weht wie eine Flagge, eine
schlechte Tarnung, die
größer als jede Kinoleinwand ist,
und doch die Toten nicht bedecken kann.
Die Farben sind so wie in Träumen,
das Rot ist röter als
in allen Filmen über Opfer und Glückseligkeit.
Die Armen sind präzise, sie verfehlen nie das Ziel.
Es gibt keine Schutz vor Gespenstern, denn sie
liegen in dir selbst.

Voraussichtliche Ankunft 8 Uhr 58

Versteh mich recht - ich sehne mich nach der Zeit,
die keinen Schmerz kennt, aber
Gelingen kann nur da sein, wo es Verständnis gibt.
Ich hungre nach der Phantasie, daß alle Menschen einander kennen.
Ich glaub, wir brauchen eine andere Erziehung.
Dein Auftrag ist es, Dinge zu bezeugen.
Ich? Ich sah jemanden, der einen Alptraum hatte.
Ich konnte ihn nicht teilen, aber weckte ihn nicht auf,
weil ich den Frieden und die Stille so genoß.

September 2001

 

Chauvinistenwalzer   [The Chauvinist Waltz]

Schau dir den an, den du aus mir gemacht hast –
kläglich und klug wie Eisen und Glas.
Wollte ich Gründe, würdest du lächeln.
Wollte ich Antwort, würdest du lügen.
Was hat dir alles so in Schmerz und Wut verkehrt?
Deine Liebe ist eine Tierhöhle,
wo deiner Toten Knochen liegen.
Unsre Namen sind alle vergessen,
unsre Köpfe sind alle verfault,
unsre Augen wie Baumwolle, wie Seide.
Unsre Gehirne wie flockige Milch.
Mein Aas ist übel zugerichtet und geschunden,
um deine Füße gewunden.
Eine Ranke, mit Wurzeln tief unten.
Es gibt hundert Millionen Geschichten
und Ansichten.
Aber ich schreie nicht mehr.
Ich würde lächeln, doch die Wunde schmerzt zu sehr.

Die Welt ist jetzt dieselbe wie vorher.
Alle sind witzig und komisch und
erlöst im Selbstmitleid und
gelangweilt von dieser kalten, beschissenen Stadt.
Gewärmt nur von einer Liebe, die
zu kränken ich zu ängstlich geworden,
um so, stattdessen,
jetzt durch Freundlichkeit zu morden.

Sommer 2001

 

Nah beim Fluß   [Close to the River]

Die Stadtmauern brennen zur Mitternacht
mit glühendem Verlangen; die Felsen darunter
sind starr und naß vom Blut der Erfindung. Jemand springt.
Der andre dreht sich weg. Doch wer ist wer?

Vergeßt, was ihr wollt, doch
vergeßt nicht die Bindung, die mich schuf,
die tief durch mich reist
in der Gestalt jedes Gedankens, den ich denke.
Verachten und Liebe
brodeln zusammen
am Rand meiner Gefühle.
Dies Schauspiel fing schon lange an, bevor mein Gesicht
geätzt ward in den Wall der Zeit.
Ich habe euer beider Wahn in mir.
Ich bin ständig zerstritten mit mir selbst.
Doch kann mich nicht verlassen.
Und nicht einander. Glaubt mir.
Ich bin der Ring, der auch mit Seife nicht abgeht.
Die Heere sind in mir zerbrochen, und nun
stehn sie im Gleichgewicht sich gegenüber.
Nun ist da Blut.
Nun ist da Liebe, ruhmbedeckt,
und Ehre, die vor Schmutz starrt.

Du und ich, Mutter, haben zu nah am Fluß gebaut.
Sieh, wie wir uns das Fieber aus den Hirnen waschen,
die Hirngespinste und die alten Träume,
und wie das Wasser immer gleich hoch steht.
Ich danke dir für Schmerz und Kummer,
die mich bald traurig und bald freundlich machten.
Ich bin so stolz, daß ich die anderen an dich erinnre.

Ostern 2001

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